Das Schöne, das Hässliche und das Dazwischen

Monat: September 2024

Gewissensfreiheit nicht Fraktionszwang

Das Grundgesetz könnte deutlicher nicht sein. In Artikel 38 Absatz 1 heißt es dort:
„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Trotzdem ist das gemeinsame Abstimmen innerhalb der Fraktionen so sehr Teil des politischen Alltags, dass es bei Abstimmungen manchmal heißt, der Fraktionszwang würde aufgehoben. Rechtlich gibt es diesen Fraktionszwang nicht, er ist verfassungswidrig.

Befürworter argumentieren, dass nur eine einheitliche Linie innerhalb der Fraktionen die Arbeitsfähigkeit einer Regierung garantiert, da Abweichler sonst gemeinsam mit der Opposition Gesetzesvorhaben blockieren könnten. Auch könne niemand Experte für sämtliche Themen sein, was es erforderlich mache, dass die Entscheidungen von den Ausschussmitgliedern erarbeitet werden, die die Möglichkeit haben, tief in die Materie einzusteigen.
Da der Fraktionszwang rechtlich nicht existiert, ist oft von Fraktionsdisziplin die Rede. Für Nichteinhaltung können Abgeordnete nicht bestraft werden, die Partei hat aber Mittel, sie zu disziplinieren: Schlechte oder keine Listenplätze mehr, Nichtwahl für höhere Ämter.

Obwohl die Arbeit der Ausschüsse tatsächlich wichtig ist, sollte eines nicht vergessen werden: Die Gewissensfreiheit der Abgeordneten besteht aus gutem Grund. Sie soll dafür sorgen, dass nicht Parteiinteressen, sondern vernünftige Entscheidungen die Politik dominieren.

Florian Füllbier ist der Autor, der hier aufgelisteten Bücher.

Quellen

Deutscher Bundestag (2024): „Fraktionsdisziplin“ https://www.bundestag.de/services/glossar/glossar/F/fraktionsdisziplin-857034 (Stand 29.09.2024)

tagesschau (2015): „Nur ihrem Gewissen unterworfen?“ https://www.tagesschau.de/inland/fraktionszwang-ts-100.html (Stand 29.09.2024)

Nein, niemand wäre beeindruckt, Herr Scholz

„Wenn jemand 2021 eine lange Weltreise angetreten hätte, ohne Handyempfang und Mediennutzung, und jetzt nach Deutschland zurückkäme“, wäre er von der Leistungsbilanz unserer Regierung wohl beeindruckt.“, erklärte der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor wenigen Tagen gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Der politisch interessierte Leser wird diese Äußerung mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen. Denn die Bilanz der Ampel zeigt vor allem, dass der sprichwörtliche „Kleine Mann“, in den Entscheidungen der SPD-Führung keine Rolle mehr spielt. Zumindest dürfte das Bürgergeldgesetz den selbstständigen Handwerksmeister, dessen schwierige Suche nach Personal sich durch das von der Ampel beschlossene Gesetz noch erschwert, nicht beeindrucken. Auch dürfte, wer dank Fleiß und Sparsamkeit zu Eigentum gekommen ist, sich besonders über den ursprünglichen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes („Heizungsgesetz“), der später leicht entschärft wurde, erschrocken haben: Denn vor allem die früheren Ideen, die keineswegs vom Tisch sind, hätte zu einer massiven Entwertung vor allem älterer Immobilien in privater Hand geführt. Und die Abschaffung der Steuerklassen drei und fünf, die gerade für finanziell schwach aufgestellte Familien zu Problemen führen wird, wenn der Hauptverdiener arbeitslos oder krank wird, steht ebenfalls nicht gerade in bester sozialdemokratischer Tradition.

Florian Füllbier ist der Autor, der hier aufgelisteten Bücher.

X für Politiker: Gut oder schlecht?

Allzu gerne benutzen Politiker weltweit und jeglicher Couleur den Kurznachrichtendienst X, das ehemalige Twitter. Für den aktuellen US-Präsidentschaftskandidaten und ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump war die Onlineplattform lange Zeit Kommunikationsmittel Nummer eins. Aber auch Olaf Scholz, Nancy Faeser, Friedrich Merz und viele andere twittern. Stellt sich die Frage: Ist das gut oder schlecht? Denn einerseits sind die Tweets viel zu kurz, um komplexe, politische Zusammenhänge korrekt darzustellen und sind daher in der Regel dazu gedacht, dass möglichst viel Aufmerksamkeit zu erheischen. Andererseits sind es oft gerade die verräterischeren kurzen Sätze, die ahnen lassen, wie es um Wissen, Intelligenz und Geisteszustand des Twitternden bestellt ist.

Florian Füllbier ist der Autor, der hier aufgelisteten Bücher.