Das Schöne, das Hässliche und das Dazwischen

Kategorie: Politik (Seite 1 von 2)

Es gibt ein Recht auf Reichelts Propaganda

Mitte November 2024 folgte der Journalist Julian Reichelt einer Einladung der Jungen Union im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Die Jugendorganisationen der Grünen und der SPD protestierten am Veranstaltungsort gegen den Auftritt des Reporters, der auf dem Nachrichtenportal NIUS regelmäßig hart gegen die Ampelparteien austeilt. Obwohl Reichelt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Demonstranten suchte, beschränkten diese sich auf das Skandieren von Parolen. Besonders auffällig war dabei der immer wieder zu hörende Satz „Es gibt kein Recht auf Reichelts Propaganda“. Der frühere Bild-Chefredakteur ist in seinen Formaten nicht gerade zimperlich. Wer so heftig andere kritisiert, muss aushalten, dass er nicht überall gemocht wird und nicht jeder ihn willkommen heißt. Aber ein Recht auf Reichelts Propaganda, wenn man die Arbeit des Mannes so nennen will, gibt es natürlich durchaus: Es ergibt sich aus der Meinungs- und der Pressefreiheit, die beide im Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland garantiert werden. Dass Protestierende, die offenbar die Ausübung dieser Grundrechte gern einschränken würden, sich als weiteren Schlachtruf ausgerechnet „Alerta, Alerta, Antifascista“ ausgesucht haben, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Florian Füllbier ist der Autor, der hier aufgelisteten Bücher.

Quellen

Achtung Reichelt (2024): „Hass, Hetze, Nasenringe! Reichelt crasht grüne Anti-Reichelt-Demo“: https://m.youtube.com/watch?v=gU2acSP3fcQ&pp=ygUUcmVpY2hlbHQganVuZ2UgdW5pb24%3D (Stand 27.11.2024)

Tagesspiegel (2024): „Kiesel: Umstrittener Auftritt von Julian Reichelt“ https://www.tagesspiegel.de/berlin/umstrittener-auftritt-von-julian-reichelt-stress-zwischen-junger-union-und-jusos-12715376.html (Stand 27.11.2024)

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 5 (2024): https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html (Stand 27.11.2024)

Eine verpflichtende Lebensmittelampel wäre eine unsinnige Belastung

Der Sinn des als Lebensmittelampel bekannten Nutri-Score ist ohnehin umstritten. Während die Angabe der Inhaltsstoffe auf Lebensmittelverpackungen eine sehr wichtige Information für Verbraucher darstellt, täuscht das Ampelsystem vor, A sei pauschal gesund, E stets ungesund. Ob industriell hergestelltes, weißes Brot, dem Menschen wirklich besser bekommt als deutlich schlechter bewertete Produkte wie Rindersteaks oder Lachs, sei dahingestellt. Bislang ist die Nutzung freiwillig, eine verpflichtende Einführung wird jedoch regelmäßig gefordert. Dann müssten Behörden die Nutzung erzwingen – also den Steuerzahler belasten, um ein System von fragwürdigem Nutzen durchzusetzen.

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Gewissensfreiheit nicht Fraktionszwang

Das Grundgesetz könnte deutlicher nicht sein. In Artikel 38 Absatz 1 heißt es dort:
„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Trotzdem ist das gemeinsame Abstimmen innerhalb der Fraktionen so sehr Teil des politischen Alltags, dass es bei Abstimmungen manchmal heißt, der Fraktionszwang würde aufgehoben. Rechtlich gibt es diesen Fraktionszwang nicht, er ist verfassungswidrig.

Befürworter argumentieren, dass nur eine einheitliche Linie innerhalb der Fraktionen die Arbeitsfähigkeit einer Regierung garantiert, da Abweichler sonst gemeinsam mit der Opposition Gesetzesvorhaben blockieren könnten. Auch könne niemand Experte für sämtliche Themen sein, was es erforderlich mache, dass die Entscheidungen von den Ausschussmitgliedern erarbeitet werden, die die Möglichkeit haben, tief in die Materie einzusteigen.
Da der Fraktionszwang rechtlich nicht existiert, ist oft von Fraktionsdisziplin die Rede. Für Nichteinhaltung können Abgeordnete nicht bestraft werden, die Partei hat aber Mittel, sie zu disziplinieren: Schlechte oder keine Listenplätze mehr, Nichtwahl für höhere Ämter.

Obwohl die Arbeit der Ausschüsse tatsächlich wichtig ist, sollte eines nicht vergessen werden: Die Gewissensfreiheit der Abgeordneten besteht aus gutem Grund. Sie soll dafür sorgen, dass nicht Parteiinteressen, sondern vernünftige Entscheidungen die Politik dominieren.

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Quellen

Deutscher Bundestag (2024): „Fraktionsdisziplin“ https://www.bundestag.de/services/glossar/glossar/F/fraktionsdisziplin-857034 (Stand 29.09.2024)

tagesschau (2015): „Nur ihrem Gewissen unterworfen?“ https://www.tagesschau.de/inland/fraktionszwang-ts-100.html (Stand 29.09.2024)

Nein, niemand wäre beeindruckt, Herr Scholz

„Wenn jemand 2021 eine lange Weltreise angetreten hätte, ohne Handyempfang und Mediennutzung, und jetzt nach Deutschland zurückkäme“, wäre er von der Leistungsbilanz unserer Regierung wohl beeindruckt.“, erklärte der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor wenigen Tagen gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Der politisch interessierte Leser wird diese Äußerung mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen. Denn die Bilanz der Ampel zeigt vor allem, dass der sprichwörtliche „Kleine Mann“, in den Entscheidungen der SPD-Führung keine Rolle mehr spielt. Zumindest dürfte das Bürgergeldgesetz den selbstständigen Handwerksmeister, dessen schwierige Suche nach Personal sich durch das von der Ampel beschlossene Gesetz noch erschwert, nicht beeindrucken. Auch dürfte, wer dank Fleiß und Sparsamkeit zu Eigentum gekommen ist, sich besonders über den ursprünglichen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes („Heizungsgesetz“), der später leicht entschärft wurde, erschrocken haben: Denn vor allem die früheren Ideen, die keineswegs vom Tisch sind, hätte zu einer massiven Entwertung vor allem älterer Immobilien in privater Hand geführt. Und die Abschaffung der Steuerklassen drei und fünf, die gerade für finanziell schwach aufgestellte Familien zu Problemen führen wird, wenn der Hauptverdiener arbeitslos oder krank wird, steht ebenfalls nicht gerade in bester sozialdemokratischer Tradition.

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Omid Nouripour will die Demokratie stärken: Wie das funktionieren könnte

Der grüne Parteivorsitzende Omid Nouripour erklärte vor und nach der Europawahl 2024, er wolle die Demokratie stärken. Gemeint ist hoffentlich der demokratische Rechtsstaat, diesen zu stärken, ist eine gute Idee. Hier ein paar Ideen, wie das funktionieren könnte:

  • Verstärkt auf Volksabstimmungen setzen. Die Bundesrepublik ist zwar als repräsentative Demokratie gedacht, aber Elememte einer direkten Demokratie sind keineswegs ausgeschlossen. Eine Möglichkeit dies umzusetzen, wäre zum Beispiel eine Gesetzesänderung anzustreben, die festlegt, dass jede Änderung des Grundgesetzes durch eine Volksabstimmung bestätigt werden muss, damit sie in Kraft tritt. Dies stünde im Einklang mit Artikel 20 Grundgesetz, Absatz 2, Satz 1 „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“.
  • Internationale Verträge aufs notwendige Minumum beschränken: In einer globalisierten Welt sind vertragliche Vereinbarungen zwischen Staaten und Staatengemeinschaften zwingend erforderlich. Oft sind jedoch Regierungen an Verträge, die von Vorgängern abgeschlossen wurden, dauerhaft gebunden. Dies beschränkt die Möglichkeit der Wähler, hier eventuell nicht erwünschte Entscheidungen durch die Abwahl der Verantwortlichen zu korrigieren. Es muss gut überlegt werden, welche internationalen Regelungen tatsächlich unverzichtbar sind.
  • Das Finanzausgleichsystem zwischen den Bundesländern (ehemals Länderfinanzausgleich, seit 2019 durch den Bund vorgenommen) reformieren: Ineffiziente Politik langfristig auf Kosten effizienter Politik zu subventionieren, zementiert schlechte Lösungen statt den großen Vorteil der Demokratie zu nutzen: Die Chance, Fehler zu berichtigen.

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Europawahl: Schwache Leistung der tagesschau

Die tagesschau hat es fertig gebracht, am Tag der Europawahl während der gesamten Sendung die Ermittlungen gegen Ursula von der Leyen mit keinem Wort zu erwähnen. Leider eine schwache journalistische Leistung, insbesondere, wenn man berücksichtigt, welche große Rolle die Person von der Leyen sowohl in der genannten Nachrichtensendung vom 09. Juni 2024 als auch für die Europäische Union spielt.

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Quellen

ARDMediathek.de: tagesschau 20:00 Uhr, 09.06.24: https://www.ardmediathek.de/video/tagesschau/tagesschau-20-00-uhr-09-06-2024/das-erste/Y3JpZDovL3RhZ2Vzc2NoYXUuZGUvNGNlNjVhOGUtNjQxNC00NTJiLWJhMTctMWFhODY2ODFkZjE1LVNFTkRVTkdTVklERU8 (Stand 09.06.2024)

Werden die Ermittlungen gegen von der Leyen der CDU schaden?

Die Wahl zum Europäischen Parlament steht vor der Tür. Gegen die amtierende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird derweil wegen Korruption, Einmischung in öffentliche Ämter und Amtsanmaßung ermittelt. Hintergrund der Ermittlungen sind die Verhandlungen zwischen von der Leyen und dem CEO von Pfizer, Albert Bourla. Im Rahmen der mit angeblich gelöschten SMS geführten Gespräche wurde ein Deal zwischen Pfizer und der EU ausgehandelt, bei dem mehr Covid-Impfungen für mehr als 2,4 Milliarden Euro beschafft wurden. Ein Großteil dieser Impfdosen musste später vernichtet werden. Eine Anhörung der früheren deutschen Verteidigungsministerin wurde von der Europäischen Staatsanwaltschaft für Dezember 2024 angesetzt. Dies berichten unter anderem die Berliner Zeitung und Welt online.

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Quellen

Berliner Zeitung (2024): „Ursula von der Leyen muss weiter zittern: Gericht verschiebt Pfizer-Hearing“ https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/ursula-von-der-leyen-muss-weiter-zittern-gericht-verschiebt-pfizer-hearing-li.2217131 (Stand 05.06.2024)

Welt online (2024): „Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ursula von der Leyen“ https://www.welt.de/politik/ausland/video250852994/Im-Visier-der-Ermittler-Europaeische-Staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-Ursula-von-der-Leyen.html

Sollte der § 188 Strafgesetzbuch abgeschafft werden?

In seiner Form vom 03.04.2021 soll der § 188 Strafgesetzbuch Personen des politischen Lebens besonders vor Beleidigung, Übler Nachrede und Verleumdung schützen. Die 2021 beschlossenen Änderungen des Paragraphen, der zwar vorher schon darauf abzielte, Politiker gegen üble Nachrede und Verleumdung, nicht aber Beleidigung zu schützen, sind umstritten. Grundsätzlich sind alle Bürger der Bundesrepublik durch § 185 StGB vor Beleidigung, § 186 StGB vor Übler Nachrede und § 187 StGB vor Verleumdung geschützt. Dies schließt politisch tätige Menschen mit ein. Die Neufassung des Paragraphen 188 wird daher als Schritt in Richtung einer Zwei-Klassen-Justiz kritisiert. Auch die Gefahr des politischen Missbrauchs wird gesehen, wenn das Gesetz von Mandatsträgern dazu genutzt wird, Kritiker ihrer Amtsführung vor Gericht zu bringen – insbesondere, wenn die Kritik satirisch überspitzt oder polemisch ausfiel.

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Wahlrechtsreform: Hoffen aufs Bundesverfassungsgericht

Am 23. und 24. April 2024 wird das Bundesverfassungsgericht über die im Jahr 2023 von der aus SPD, Grünen und FDP bestehenden Ampelkoaltion, beschlossenen Wahlrechtsreform verhandeln. Es ist zu hoffen, dass das Gericht die Reform kippt. Denn die demokratischen Rechte der Wähler wurden durch die Änderung des Bundeswahlgesetzes massiv beschnitten.

Nachvollziehbar ist die Idee, den Bundestag, der derzeit 734 Abgeordnet umfasst, zu verkleinern. Dies hätte sich mit einer naheliegenden Idee erreichen lassen: Vollständige Trennung der Erst- und Zweitstimmen. Die Erststimme für den Wahlkreiskandidaten, die Zweitstimme für die Listenkandidaten der Parteien. Die Wahlkreiskandidaten sollten dann auch nicht mehr auf den Listen stehen dürfen. Derzeit erfolgt eine Umrechnung: Die Sitze, die einer Partei gemäß Zweitstimmenverteilung zustehen, werden zunächst mit den Wahlkreissiegern besetzt. Die übrigen Sitzen erhalten die Listenkandidaten, die die Wähler nicht direkt wählen können. Wenn eine Partei auf diesem Weg mehr oder weniger Sitze erhält, als ihr gemäß Zweitstimmenergebnis zustehen würde, kommen die sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate zum Tragen, die dieses Missverhältnis korrigieren sollen.

Die Ampel hat diese Regelung folgendermaßen geändert: Wenn eine Partei nun mehr Wahlkreisgewinner hat, als ihr nach Zweitstimmen-Ergebnis zustehen, werden einige dieser Wahlsieger nicht mehr in den Bundestag einziehen. Die Kandidaten mit den wenigsten Erststimmen werden übergangen, es enstehen somit keine Überhangs- oder Ausgleichsmandate mehr. Die Entwertung der Erststimme in einem Land, in dem gemäß Grundgesetz alle Staatsgewalt vom Volke auszugehen hat, ist als solche schon problematisch: Immerhin sind diese Abgeordneten die einzigen Repräsentanten, die in Deutschland direkt gewählt werden. Noch gravierender ist aber, dass eine Partei wie die CSU so an einem Einzug in den Bundestag gehindert werden kann, da sie nur regional antritt und somit bundesweit trotz vieler Stimmen wo sie wählbar ist ggf. an der 5-Prozent-Hürde scheitert. Den Wählern in Bayern, die der Union ihre Stimme geben wollen, ist gleichzeitig die Möglichkeit verwehrt, CDU zu wählen, ihr Recht auf demokratische Teilhabe wird durch die Wahlrechtsreform stark eingeschränkt.

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Quellen

Bundestag.de (2023): Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags beschlossen: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw11-de-bundeswahlgesetz-937896 (Stand 23.04.2024)

Kiffen mit 18, Wählen mit 16?

Jugendliche sind keine Erwachsenen. Der Entwicklungsprozess mag gewisse individuelle Unterschiede aufweisen, aber eines steht fest: Das Gehirn von Sechzehnjährigen hat noch nicht die volle Reife erreicht. Tatsächlich ist dies meist erst mit ca. 25 der Fall. Dieser Umstand verstärkt die Risiken eines Cannabiskonsums im heranwachsenden Alter. Zu diesen Risiken gehören unter anderem Konzentrationsschwächen, Depressionen und Psychosen. Die zum Vorstand der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer gehörende Psychologin Sabine Ahrens-Eipper stellte im Dezember 2022 in einem Interview mit dem MDR klar, dass eine aus entwicklungspsychologischer Sicht vertretbare Altersfreigabe von Cannabis bei 25 liegen würde.1

Daher sind Forderungen, das Wahlalter bei Bundestagswahlen auf 16 abzusenken, kaum nachzuvollziehen. Das Wahlrecht ist das wichtigste Recht des Bürgers in einer Demokratie. Entsprechend verantwortungsbewusst muss es ausgeübt werden. Auch die besondere Berücksichtigung von Jugendlichen zum Beispiel im Strafrecht zeigt, dass durchaus bekannt, dass von ihnen dieses Verantwortungsbewusstsein nicht erwartet werden kann.

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Quellen

  1. MDR.de (2022): „Meine große Sorge sind die Jugendlichen und Heranwachsenden“ https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/halle/cannabis-legalisierung-risiken-interview-psychotherapeutin-sabine-ahrens-eipper-100.html (Stand: 07.04.2024) ↩︎
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