Das Grundgesetz könnte deutlicher nicht sein. In Artikel 38 Absatz 1 heißt es dort:
„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Trotzdem ist das gemeinsame Abstimmen innerhalb der Fraktionen so sehr Teil des politischen Alltags, dass es bei Abstimmungen manchmal heißt, der Fraktionszwang würde aufgehoben. Rechtlich gibt es diesen Fraktionszwang nicht, er ist verfassungswidrig.

Befürworter argumentieren, dass nur eine einheitliche Linie innerhalb der Fraktionen die Arbeitsfähigkeit einer Regierung garantiert, da Abweichler sonst gemeinsam mit der Opposition Gesetzesvorhaben blockieren könnten. Auch könne niemand Experte für sämtliche Themen sein, was es erforderlich mache, dass die Entscheidungen von den Ausschussmitgliedern erarbeitet werden, die die Möglichkeit haben, tief in die Materie einzusteigen.
Da der Fraktionszwang rechtlich nicht existiert, ist oft von Fraktionsdisziplin die Rede. Für Nichteinhaltung können Abgeordnete nicht bestraft werden, die Partei hat aber Mittel, sie zu disziplinieren: Schlechte oder keine Listenplätze mehr, Nichtwahl für höhere Ämter.

Obwohl die Arbeit der Ausschüsse tatsächlich wichtig ist, sollte eines nicht vergessen werden: Die Gewissensfreiheit der Abgeordneten besteht aus gutem Grund. Sie soll dafür sorgen, dass nicht Parteiinteressen, sondern vernünftige Entscheidungen die Politik dominieren.

Florian Füllbier ist der Autor, der hier aufgelisteten Bücher.

Quellen

Deutscher Bundestag (2024): „Fraktionsdisziplin“ https://www.bundestag.de/services/glossar/glossar/F/fraktionsdisziplin-857034 (Stand 29.09.2024)

tagesschau (2015): „Nur ihrem Gewissen unterworfen?“ https://www.tagesschau.de/inland/fraktionszwang-ts-100.html (Stand 29.09.2024)